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  • AutorenbildKatrin Munzel

Vom Überwintern und wieder Erblühen

Eine Rezension zum Buch "Überwintern - wenn das Leben innehält" von Katherine May, erschienen im Insel Verlag.

Ehrlich gesagt war ich nie der große Winterfan. Winter, das war für mich oft zu viel. Ein ZUVIEL an dicken Klamotten, eisigen Füßen, laufender Nase, Dunkelheit, trockener Luft, zu kurzer Tage, Drinnensitzen, Nebel und Wolken, Kälte, Glätte und eher trüber Stimmung. Wenn mich jemand fragt, welche Jahreszeit ich am wenigsten mag, dann würde ich ohne zu Zögern: „Winter!“ sagen.

Denn spätestens seitdem ich im Dezember vor einigen Jahren einen Unfall auf Glatteis hatte, ist die Beziehung zum Winter merklich abgekühlt - deutlich unter Null.


"Wir können uns unsere Winter nicht aussuchen. Aber wie wir überwintern, schon." Katherine May


Just in dieser Zeit im Dezember, ist mir das Buch „Überwintern - wenn das Leben innehält“ von Kat

herine May begegnet. Irgendetwas hat mich sofort angesprochen. Vielleicht das wunderschön gestaltete Cover und ganz sicher auch der Titel - „Wenn das Leben innehält“. So hat es sich für mich in den letzten zwei Jahren der Pandemie häufig angefühlt: Das Leben hat innegehalten, ein sehr heftiger Stopp mitten im Leben und damit verbunden war auch ein Rückzug. Ein Rückzug in die eigenen vier Wände, ein Rückzug von unseren Großeltern, Freunden, Familie und auch von Gewohnheiten, die uns das Leben lebendig hat werden lassen. Um es mit den Worten von Katherine May zu beschreiben, war es ein Winter, den wir uns nicht ausgesucht haben (und den ich ehrlich gesagt auch nicht wirklich haben wollte).


"Wir brauchen Menschen, die anerkennen, dass wir nicht immer durchhalten können. Dass manchmal alles zerbricht." Katherine May

Katherine May hat mir in ihrem Buch eine ganz neue berührende Perspektive zum Winter eröffnet. Sie beschreibt den Winter, als eine Jahreszeit unseres Lebens. Als Phasen, in denen uns etwas Schmerzhaftes widerfährt: Zeiten des Verlusts, Krankheiten, der Trauer aber auch Umbrüche in unserem Leben - zu denen auch die Geburt eines Kindes zählt - , die uns vor Herausforderungen stellen. Zeiten, die wir gerne verschweigen, verdrängen und nicht zeigen möchten. Weil wir, wie es die Autorin so treffend formuliert, so tun, als würden wir in einem äquatorialen Sommer leben. Ich erfahre, wie sie selbst mit ihren Wintern umgeht, wie andere Menschen mit der Kälte des Lebens umgehen und auch, wie sie ihren Sohn in seinem Winter begleitet. Spätestens da ist mir sehr bewusst geworden: Jede und jeder erlebt einen Winter, Phasen, in denen es schwierig und dunkel ist. Diese Winter gehören unweigerlich zu unserem Leben und sie verbindet uns alle miteinander. Und darin liegt für mich auch eine unglaubliche Kraft. Wir sind nicht alleine mit unseren Wintern, wir alle erleben Zeiten, in denen es leicht ist und andere Zeiten, in denen alles unüberwindbar und unglaublich schwer erscheint. Wir teilen diese Erfahrung mit all den Gefühlen, die damit einhergehen, mit allen Menschen. Darin kann ein Trost liegen und die Möglichkeit, dass wir Menschen in unserem Leben haben, die uns in diesen Lebensphasen zuhören und halten.


„Wenn etwas in Scherben liegt, kann etwas völlig Neues entstehen. Das ist das Geschenk das Winters, und man kann es nicht ausschlagen: Er zieht Veränderungen nach sich, ob es uns gefällt oder nicht. Am Ende tragen wir womöglich ein anderes Fell.“ Katherine May

Ein Blick auf die Jahreszeiten zeigt uns: Keine Pflanze blüht das ganze Jahr über, Igel halten Winterschlaf, Eichhörnchen sammeln Nahrung für karge Zeiten, Zugvögel nehmen eine lange und beschwerliche Reise auf sich, um überleben zu können. Die Zeiten der Ruhe und des Rückzugs sind dabei genauso Bestandteil des Lebens, wie Zeiten des Erblühens und der Fülle. Es ist ein Kommen und Gehen, ein ständiger Wandel. Veränderungen gehören ganz natürlich zur Natur der Lebewesen, der Tiere und Pflanzen dazu, genauso wie Veränderungen auch zu unserem Leben gehören. Kürzlich las ich einen Spruch: „Be patient with yourself. Nothing in nature blooms all year.“ Die Winter kommen also, ob wir uns das ausgesucht haben oder nicht. Die Freiheit liegt darin zu lernen, wie wir mit unseren Wintern umgehen. Uns selbst zu unterstützen, indem wir Geduld, Vertrauen, Mitgefühl einladen.


Einfühlsam beschreibt Katherine May aus ihrer eigenen Erfahrung. Wie es ihr gelingt zu spüren, wenn ein Winter im Anmarsch ist und wie sie sich selbst - so wie das die Natur und eine Vielzahl an Tieren ganz natürlicherweise tun - so gut es geht auf den Winter vorbereitet. Dass dazu auch gehört, sich selbst eine Pause zu erlauben, wenn es nötig ist und sich so gut es geht, um sich selbst zu kümmern. Um aus diesem Innehalten heraus, mit mehr Klarheit entscheiden zu können, wie es weitergehen kann. Damit hält auch jeder Winter die Möglichkeit bereit, dazuzulernen und ihn als natürlichen, ja sogar lebensnotwendigen Bestandteil unseres Lebens anzunehmen. Zu erleben, dass ein Winter eine Möglichkeit sein kann, um Kraft zu schöpfen und wieder neu zu beginnen.


"Für Tiere und Pflanzen gilt: Überwintern ist Teil des Überlebens. Und dasselbe gilt für uns Menschen." Katherine May

Wie so oft zeigt uns die Natur: Es gibt Zeiten, in denen wir uns zurückziehen in die Stille, in der wir eine Pause brauchen, um Kraft zu sammeln für den Frühling. So, wie sich die wunderbaren Frühlingsblumen und Bäume im Winter zurückziehen, in die Ruhe und Stille des Winters, um überleben zu können. Um, so wie jetzt gerade, im Frühling wieder aufzublühen.



„Überwintern - Wenn das Leben innehält“ von Katherine May im Insel Verlag erschienen, ist eine Herzensempfehlung. Eine wunderbare Reise, auch und gerade dann, wenn gerade Frühling ist.


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